Blick auf die Geschichte der Universität Wittenberg

Die sächsische Universität Wittenberg wurde nach ihrer Gründung 1502 und der kaiserlichen Bestätigung von 1507 sehr schnell zu einer Akademie von weit übernationaler Bedeutung, für die damalige Zeit recht großer Studierendenzahl und großem Einzugsbereich weit über die Landesgrenzen Sachsens, ja in Mitteleuropa. Diese erste Blütezeit in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts war geprägt durch das philosophische und theologische Wirken Philipp Melanchthons und Martin Luthers an der Leucorea.

Doch nicht nur diese, auch andere Wissenschaftsbereiche erlebten in jener Zeit einen wichtigen Platz an der Wittenberger Universität. Die Mathematik hielt erstmals im Jahr 1508 als „Bestandteil der Metaphysik“ und dann 1514 als vollwertiges Unterrichtsfach Einzug in die akademische Lehre der Leucorea. Maßgeblich getragen durch den Einsatz von Melanchthon, welcher die Notwendigkeit sah, die Wichtigkeit der mathematisch-astronomischen Wissenschaften in einer philosophisch ganzheitlichen Bildung zu heben, kam es bereits 1525 zur Aufspaltung der Professur für Mathematik in die niedere und höhere Mathematik. Ein Schritt, der in der damaligen deutschsprachigen Bildungslandschaft erstmalig gegangen wurde.

Wittenberg, Fridericianum, Blick in den Kollegienhof (Neues und Altes Kolleg) mit Professoren und Studenten
Wittenberg, Fridericianum, Blick in den Kollegienhof (Neues und Altes Kolleg) mit Professoren und Studenten; Quelle: Schmuckblatt aus der Wittenberger Matrikel, Herbstsemester 1644, ULB Sachsen-Anhalt

Neben dem geisteswissenschaftlichen Ansehen der Universität Wittenberg in jener Zeit stieg auf diese Weise auch die mathematische Reputation. Mathematiker wie Erasmus Reinhold, Georg Joachim Rheticus oder Caspar Peucer stehen stellvertretend für die erste Hochzeit der Leucorea auf naturwissenschaftlichem und mathematischem Gebiet. Den an sich selbst gestellten mathematischen Anspruch, der für die frühe Leucorea kennzeichnend war, zeigt etwa auch die geplante, wenn auch in beiden Fällen nicht realisierte, Berufung führender Astronomen ihrer Zeit: sowohl Tycho Brahe als auch Johannes Kepler wurde eine Berufung zum Professor für höhere Mathematik an der Wittenberger Universität zu Beginn des 17. Jahrhunderts angeboten.

Der detaillierten Beschäftigung mit der mathematischen Entwicklung der Wittenberger Universität während der annähernd 200 Jahre ihres Bestehens bis zur Schließung und Überführung in die Universität Halle ist die Tagung in einem ihrer Schwerpunkte gewidmet.